Vom Sinn und Unsinn Monitore zu entzerren: Monitorentzerrung vs. Raumentzerrung

axefx

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Formen wir unseren "Sound" mit einem Gerät, welches diesen immer konsistent - also identisch und umfassend (wie es eben der Line Output des Axe-Fx verspricht) - ausgeben kann, so sind wir dennoch von einer Monitorlösung abhängig, die es uns überhaupt erst ermöglicht zu hören, was wir überhaupt an "Sound" einstellen.

Verändern wir nun die Monitorlösung, so wird wohl jeder schon die Erfahrung gemacht haben, dass sich auch der Sound ändert, obwohl wir beispielsweise ein Preset völlig unverändert gelassen haben. Beispielweise haben wir einen Sound auf Kopfhörern oder Studio-Monitoren eingestellt. Spielt man diesen dann aber über seinen FRFR-Monitor ab, oder gleich eine ganze PA, so dürfte jeder schon die mitunter bittere Erfahrung gemacht haben, dass der Sound plötzlich gar nicht mehr so toll klingt, wie man ihn - erstellt und abgehört auf der ursprünglichen Monitorlösung - eigentlich in Erinnerung hatte.

Das ist ein Problem, was den einen oder anderen schon bis in die Verzweilung gebracht haben könnte ;) Ein Problem, welches auch verunsichernd wirkt, denn plötzlich ist man sich gar nicht mehr sicher, ob der urspünglich "perfekt eingestellte" Sound nur durch die bei Einstellung vorgenommene Monitorlösung "verschönert" wurde, oder bei Veränderung der genutzen Monitorlösung eben diese an der "Verschlechterung" des Soundergebnisses "schuld" trägt. Man kann dieses Problem nun durch verschiedene Ansätze eingrenzen, bzw. umgehen:

1) Man ändert die Monitorlösung einfach nicht, erhält also die ganze Klangkette nicht nur bis zum Line Out des Axe-Fx, sondern bis zur Lautsprecherausgabe konstant. Im Ergebniss ist es dann also völlig egal, ob denn nun das Preset eigentlich nicht "perfekt" ist, oder der Monitor. Oder beides. Oder keines. Der Klang bleibt gleich, so wie er auf dem ganzen System erstellt wurde. Dass man so überhaupt zu befriedigenden Ergebnissen kommt, hängt aber dennoch mit einer gewissen Qualität der Abhöre ab, ganz nach dem alten Spruch: Das Ergebnis kann nur so gut klingen, wie das schlechteste Teil in der Kette.

Diese Situation entspricht übrigens der, die Gitarristen mit konventionellen Gitarrenrigs inne haben. Hören diese doch im Normallfall ihren Sound stets durch diesselbe Gitarrenbox, welche quasi deren Monitorlösung ist. Des Weiteren erklärt dieser Ansatz - nämlich einer konsistenten Monitorlösung - den Grund, wieso es vorteilhaft sein kann, sich eben nicht auf jeder Bühne mit einem anderen Monitor zu konfrontieren, in den das Line-Out Signal des Axe-Fx gespeist wird. Sondern sich einen eigenen Monitor in Form einer herkömmlichen Gitarrenbox bzw. einem FRFR-Monitor zu gönnen.

2) Ist es notwendig oder gewollt, den Sound des Line-Outs auf verschiedenen Abhören zu verwenden (nachts den Kopfhörer, zum tweaken die Studio-Monitore, im Proberaum der FRFR-Monitor), wird der Wunsch verständlich, die Klangunterschiede, welche die verschiedenen Abhören verursachen zu "neutralisieren", zumindest zu minimalisieren.

2a) Eine einfache Methode bietet das Axe-Fx beispielsweise mit dem "globalen" grafischen EQ. Hier kann auf einfache Weise der Sound, wie man ihn auf der einen Abhöre eingestellt hatte, an die nun gültige, weitere Abhöre angepasst werden. Das funktioniert mitunter auch ganz gut, ist aber eine relativ grobe Angelegenheit, identischen Sound im Vergleich zur ersteren Monitorlösung wird man in der Regel damit nicht erreichen.

2b) Eine aufwendigere Methode ist es, dafür zu Sorgen, dass die Monitorlösung sich möglichst nicht klangverändernd auf das Signal auswirkt, welches den Line-Out des Axe-Fx verlässt, somit also selber nicht auf das Klangereigniss einwirkt. Mit anderen Worten: Völlig neutral bleibt. Neutralität bedeutet also hier: Alle Frequenzen zueinander gleich laut (verstärkt) wiederzugeben. Genau diese Eigenschaft beschreibt das Theorem FRFR: full range - flat response. Full range verspricht, ALLE Frequenzen, die das menschliche Ohr wahrnimmt, wiedergeben zu können. Flat response verspricht, eben diese auch alle GLEICH LAUT verstärkt in den Raum zu entlassen ... um letztlich an unser Ohr zu dringen. Leider ist das Theorem von FRFR eben genau das: Ein Theorem, welches in der Praxis selten bis gar nicht anzutreffen ist. Wäre es nämlich so, müssten die verschiedenen FRFR-Abhörmöglichkeiten (Wie Kopfhörer, HIFI Lautsprecher, PA Monitore, etc...) alle gleich klingen, womit das Problem gelöst wäre. Das tun sie aber (leider) nicht!

Nun bietet der Versuch, sich diesem Theorem durch Frequenzkorrekturen zu nähren nicht nur den Vorteil, dass sich die Soundkonsistenz auf verschiedenen Monitorlösungen verbessern sollte, sondern im Idealfall auch die Gewissheit, dass das, was man hört tatsächlich dem entspricht, was am Line-Out des Axe-Fx an "Sound" anliegt. Damit steigt nämlich die Chance beträchtlich, dass das Soundereigniss auch auf Abhören weiterhin ausreichend gut funktioniert, die eben mehr oder weniger weit entfernt vom Theorem der "Klangneutralität" wiedergeben. Denn dann müsste bei der Übersetzung von Monitor A zu Monitor B nicht mehr zusätzlich die "unbekannten, soundverändernden Unzulänglichkeiten" von Monitor A ausgeglichen werden, sondern nur noch die von Monitor B. Genau deswegen mischen Produzenten und Mastering-Ingenieure vorzugsweise gerne auf möglichst neutralen, also klangunverfälschenden Abhören, welche in einer akustischen Umgebung (dem Regieraum) installiert sind, welche selber nicht zusätzlich "verzerrend" auf den Sound einwirkt - nämlich auf dem Weg vom Lautsprecher der Abhöre bis zum eintreffen auf das menschliche Ohr.

Ist also erwünscht, ein Tonsignal maximal klangneutral abzuhören, um einen Sound am Line-Out möglichst objektiv bewerten zu können, um so eine bestmögliche "Übersetzung" auf anderen Monitorlösungen sicherzustellen, sollte nicht nur der Monitor maximal klangneutral sein, sondern eben auch der Raum, durch den das vom Monitor abgestrahlte Klangereigniss "wandern" muss, bis es auf unser Ohr trifft. Denn auch die Reflexionen an den Begrenzungen eines Raumes treffen auf unser Ohr. Und diese mischen sich nunmal im Raum unweigerlich mit dem Direktsignal, was zu Auslöschungen (Stichwörter Laufzeit; Phase) oder Verstärkungen (Stichwort Resonanz) bestimmter Frequenzen führen kann.

3) ANSÄTZE, UNZULÄNGLICHKEITEN EINER MONITORSITUATION ZU VERBESSERN:

Zwei Positionen machen also Sinn genauer betrachtet zu werden, will man sicherstellen, ein am Line-Out anliegendes Signal möglichst unverfälscht bis ans eigene Ohr übertragen zu bekommen. Die Gründe dafür, habe ich weiter oben benannt: Der "Lautmacher", also Verstärker plus Box/Lautsprecher - genannt Monitor, und der Raum, der möglichst klangneutral überwunden werden muss, bis die Schallwellen auf unser Ohr treffen.

Stellen wir uns vor, wir hätten "perfekte" Kopfhörer auf, noch besser ein Aussenschall dämmendes In-Ear System. "Perfekt" im Sinne von: Erfüllt den FRFR Anspruch maximal. Dann hätten wir eine gute Referenz: Der Monitor ist maximal "neutral" und ein Raum ist nicht vorhanden, der sich negativ beeinflussend auswirken könnte. (Die psychoakustischen Prämissen durch Schallreflexionen (also Hall), die der Gitarrist mit Gitarrencab über einen Raum abgehört gar nicht anders kennt mal aussen vor).

Wollen wir nun genau diesen (perfekten In-Ear) "Sound" auf unserem relativ unperfekten Monitor übersetzen, der als physikalische Prämisse generell in einem unperfekten Raum platziert ist, müssten wir zwei Dinge erreichen:

- Die Frequenzen des Monitors so korrigieren, dass (zumindest) das "flat-response" Theorem maximal möglich sichergestellt ist. Genau das versteht man unter einer "MONITORENTZERRUNG".

- Die klangeinwirkenden Einflüsse des Raums beseitigen. Dies erreicht man durch Verbesserung der Raumakustik. Durch Bearbeitung (bzw. Eliminierung) von Reflexionseinflüssen der Raumbegrenzungen (Bassfallen, Absorber,etc.)
Oder aber man berücksichttigt diese klangeinwirkenden Reflexionen am abgehörten Punkt und versucht diese ebenfalls durch Frequenzkorrekturen zu "neutralisieren". Das versteht man dann allgemein unter "RAUMENTZERRUNG". (Auch hier: Laufzeitunterschiede und Auswirkungen durch Reflexion mal aussen vor).


Beide Verfahren, "Monitorentzerrung", wie auch "Raumentzerrung" haben ihre Vor- und Nachteile:

MONITORENZERRUNG:
- Versuche ich einen Monitor zu entzerren, muss ich dessen Unzulänglichkeiten im Frequenzbild kennen, um zielgericht mit Filtern dessen vernachlässigten oder überhöhenden Frequenzen auszugleichen. Das ist leichter gesagt, denn getan! Denn man müsste sicherstellen, dass in den Messungen Raumeinflüsse aussen vor bleiben. Generell werden die Spezifika (SPL, Frequenzbereich, Linearität) eines Monitors 1m vom Abstrahlzentrum des Monitors mit einem axial auf den Monitor zielenden Messmikrofon ermittelt. Im Idealfall ist also nicht nur sicher zu stellen, dass die Messmethode und das Messequipment korrekte Werte ausgibt, sondern das messende Mikrofon auch keine frequenzverändernden Raumeinflüsse einfängt. Leider gibt es wenige (aber es gibt sie!) reflexionstote Räume auf diesem Planeten und ein in der Luft aufgehängter Monitor auf freiem Acker in absoluter Windstille ist auch nicht immer einfach vorzufinden. Dennoch: Nimmt man diverse Messungen in verschiedenen Positionen innerhalb eines Raums, kann man Frequenzüber- bzw. Unterbetonungen eines Monitors trotzdem ganz gut aus den Messdiagrammen herauslesen. Denn diese tauchen theoretisch mehr oder minder ähnlich in allen Messungen auf, egal aus welcher Raumposition gemessen wurde.

Der Vorteil einer "Monitorentzerrung" ist es also, den theoretischen FRFR-Anspruch des Monitors zu verbessern, ohne auf Raumeinflüsse einzugehen. Somit erscheint eine "Monitorkorrektur" für einen spezifischen Monitor als valide Verbesserung seiner Wiedergabeneutralität, unabhängig in welchem Raum oder welcher Positionierung er auch genutzt werden mag.
Der Nachteil gegenüber einer "Raumentzerrung" ist, dass die "verzerrenden" Einflüsse eines Raumes sich weiterhin negativ auf die Klangneutralität des abgehörten Signals auswirken.

RAUMENTZERRUNG:
Der Vorteil einer Raumentzerrung ist, dass Frequenzunzulänglichkeiten des Monitors UND des Raums in "einem Aufwisch" gemessen und so per Frequenzkorrektur beseitigt werden können. Man kann also dadurch das ganze Abhörsystem aus Monitor und Raum bestmöglichst "linearisieren". Das klingt erst einmal sehr gut, und dürfte im Ergebniss die bessere Nährung an unserer Referenz - nämlich das "perfekte" In-Ear System versprechen.
Es hat aber auch einen imensen Nachteil: Die vorgenommene Raumkorrektur hat genau genommen nur an einem Ort Gültigkeit: An dem Punkt im Raum, an dem das Messmikrofon bei Messung positionert war, in dem Raum, an der die Messung stattfand, in der Position des Monitors im Raum, der bei Messung gesetzt wurde. Das bedeutet: Die Abhörposition und Monitorposition sind unveränderbar, eben genauso, wie es bei einem In-Ear System der Fall ist!


FAZIT:
Die Messungen und Korrekturen, die ich für meinen dbM12-4 bzw. die Q12a (und auch meine Monitorboxen) mittels ARC-System und IR vorgenommen habe, sind eindeutig den RAUMENTZERRUNGEN zuzuschreiben, mit allen Vor- und Nachteilen, die ich hier versucht habe aufzuzeigen. Siehe hierzu die threads:

- http://www.axefx.de/showthread.php/637-Cab-IR-Entzerrung-Raum-Korrektur-für-db-opera-M12-4-Monitor
- http://www.axefx.de/showthread.php/1148-Matrix-Q12A-vs-TT-Rex-Pro-Übersetzung-von-Git-Cab-auf-FRFR

Die Messungen und Korrekturen, die tomstu und funkstation777 für ihre Flexsys FM12 bzw. JBL PRX612M mittels manueller Messung und Entzerrung durch PEQs vorgenommen haben sind eher der MONITORENTZERRUNG zuzuschreiben. Siehe hierzu:

- http://www.axefx.de/showthread.php/76-db-Technologies-Flexsys-12-Coax-Monitor-Intensiv-Test
- http://www.axefx.de/showthread.php/418-JBL-PRX612M-(aktiver-Monitor-FRFR)-Praxiserfahrungen-und-Entzerrung
- http://www.axefx.de/showthread.php/591-Verbesserung-der-Wiedergabe-durch-Entzerrung-der-Studiomonitore


Die Messungen und Korrekturen, die Pacosipulami an seiner Q12a bzw CFR12 vorgenommen hat, sind systematisch ebenfalls denen der MONITORENTZERRUNG zuzuschreiben. siehe hierzu:

- http://www.axefx.de/showthread.php/1637-Matrix-Q12-Pacosipulamis-Korrektur
 
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