Na da habt ihr aber ganz schön losgelegt hier.
Vielen Dank für Euer Feedback! Auf ein, zwei Punkte will ich noch eingehen.
Da ist zunächst mal die Frage, was eine "neutrale" IR überhaupt ist. Das muss man ja definieren, bevor man sich der Frage widmen kann, ob es sowas überhaupt gibt. Und das hatte ich mit Absicht zu Beginn nicht getan.
Jay Mitchel, Lautsprecherversteher und Designer des Atomic CLR, hat irgendwann mal von seinen eigenen IRs behauptet, sie seien neutral, und das Neutralitätsprinzip sei der einzig akzeptable Weg, IRs zu generieren. Das sind natürlich starke Worte, wenn man bedenkt, dass schon ein Mikrofon nicht neutral ist und dass es auch mehr als eine mögliche Mikrofon-Position gibt. Ich finde die Quelle jetzt gerade nicht, er hat sich damals im Ami-Forum häufiger dazu geäußert und meinte, wenn man seine IRs einer Box nicht mag, dann mag man die Box auch nicht.
Nun denke ich, dass es in diesem Sinn eine "100% neutrale" IR nicht geben kann, da kann Jay so schlau sein wie er will, für mich gibt es das nicht. Aber was es natürlich gibt, ist eine IR, von der eine Mehrheit der Meinung ist, dass sie den Charakter einer Box sehr gut wiedergibt. Wenn von 100 Testern einer IR 90 sagen, "ja, das klingt wie eine gut mikrofonierte Marshall 1960A mit Vintage 30s", dann kann man diese IR als qualitativ hochwertig ansehen und das kommt dem Kriterium der Neutralität dann schon nah.
Aber selbst wenn 100 Leute mit goldenen Ohren dieser IR das Prädikat "objektiv gut" verleihen, dann verpflichtet mich das nicht, sie selbst auch subjektiv gut zu finden. Wer weiß, vielleicht passt sie nicht zu meiner Musik, meiner Gitarre, meinem Amp, meinem Spiel.
Deshalb ist es ja so geil, dass die meisten IR-Produzenten (Grüße aus Kalau: ich habe gerade eine neue Entenart entdeckt!) sehr viele IRs einer Box schießen, mit unterschiedlichen Mikros und -Positionen, und da wird schon eine dabei sein, die mir gefällt (unter der Voraussetzung, dass die echte Box mir auch gefallen würde).
Und damit sind wir dann bei individuellen IRs - denn eine persönliche Auswahl aus 1000 IRs einer Box ist ja nun ähnlich individuell wie das persönliche Anfertigen einer IR.
Aber wo wir gerade von der "IR-Industrie" sprechen: selbst wenn die Anfertigung von IRs tatsächlich eine Branche wäre, in der man rasend schnell reich wird, was ich vehement bezweifle, also selbst wenn, was wäre denn schlimm daran?
Es läuft im Leben doch bei sehr, sehr vielen Themen auf das gute alte "make or buy?" raus. Soll ich es selbst machen oder jemand anderen dafür bezahlen?
Wenn ich etwas sehr gut kann und zugleich sehr spezielle Anforderungen habe, dann kann selbst machen sich lohnen. In den meisten anderen Fällen ist es billiger, jemand anderen, der es besser kann, dafür zu bezahlen. (Natürlich kann man etwas auch aus Spaß selbst machen, obwohl das Ergebnis vielleicht schlechter und teurer ist als Profi-Arbeit, aber wenn man sich das leisten kann und genug Geld für diesen Spaß hat, ist das ja auch okay. Beispiel: Gitarrenbau-Kurs auf Formentera.)
Die Frage "make or buy" ist übrigens so allgegenwärtig, dass sie selbst dann auftritt, wenn man sie gar nicht stellt. Wenn Du zB Waschpulver brauchst und Dich bereits für "buy" entschieden hast, kannst Du natürlich vorher die Preise vergleichen und dann da kaufen, wo es am billigsten ist. Du kannst aber auch in einen Laden gehen und das Waschpulver direkt dort kaufen. In diesem Fall hast Du aber die Aufgabe "Preise vergleichen" nicht vermieden, wie man meinen könnte, sondern outgesourced: an den Einkäufer des Ladens, in dem Du kaufst. Du bezahlst den potenziell teureren Laden dann nämlich auch dafür, dass er Dir den Preisvergleich abgenommen hat. Ist vollkommen okay, sollte man sich nur klar machen und dann dazu stehen.
Ich finde an Geld-für-Leistung nichts Schlimmes und werde weiterhin der hier in diesen heiligen Hallen anwesenden IR-Mafia mein sauer verdientes Geld in den Rachen werfen im Gegenzug für geile IRs. Nur, dass das mal gesagt ist.