Ich habe ja nun schon auch in anderen Foren viel über meine Philosophie zum Thema In-Ears geschrieben. Auch wenn meine Ansichten teilweise stark von dem abweichen, was üblicherweise gemacht wird, so möchte ich sie hier trotzdem zum Besten geben:
Intro:
Wenn man wie ich jahrelang zu Programm-Musik mitspielt (weil man z.B. irgendetwas mitspielt, was man toll findet oder etwas heraushören will) hat man ja die Situation, dass man einen sehr guten Gesamtmix als Orientierung (Monitorsignal) hat. Dann kommt im Homestudio per Mischer das eigene Signal so dazu, dass man sich wohl fühlt und gut ist es. Der Gesamtsound tönt aus einer Box/einem Boxenpaar, bzw. man pannt das eine etwas nach links und das andere etwas nach rechts (so man nicht ein extremer Stereo-Spieler ist), und so bekommt man auch noch eine bessere Trennung/Definition.
Diese kontrollierte Situation, die man je nach Lautstärke des Playbacks für sich einfach nachregeln kann, ist mir immer die liebste gewesen und erinnert mich an eine Studiosession im Regieraum (ohne den Kostendruck
).
Was ich im Studio nie mochte, war die Aufnahme in dem Raum, in dem der Amp stand. Somit ist klar, dass ich nicht der Typ bin, der den "Amp im Raum Sound" als Ideal hat.
History:
Seit dem ersten Mal im Übungsraum/auf der Bühne (1982) weiß ich um die teilweise schwierigen bis unmöglichen Bedingungen, wenn es darum geht einen guten Gesamtsound zu haben, in dem man sich vernünftig wiederfindet. Die ersten Jahre hatte das mehr damit zu tun, was für einen unorganisierten Lärm meine Bandkollegen veranstalteten: Ich hatte 7 Jahre im stillen Kämmerlein zu Foreigner/Boston/Journey/Kansas/Toto/Rainbow/Deep Purple/etc. gespielt, die hatten einfach losgelegt. Hätte es sowas wie In-Ear gegeben, ich hätte gleich aufgehört, weil mir die Schrecklichkeit der Musik wie mit der Lupe vor Ohren geführt worden wäre. So aber arrangierte man sich im Übungsraum irgendwie, hörte sich irgendwie, war irgendwie nie zufrieden aber irgendwie ging es auch.
Auf der Bühne kam dann noch hinzu, dass man sich ja mit jedem Schritt weg von seiner Schallquelle im Lärm verlor. Auch wenn ich mich im Laufe der Jahre musikalisch, von den Bands/Musikern her, und vom Equipment und seiner Aufstellung/Lautstärke auf der Bühne meinem Ideal annähern konnte, blieben etliche Unabwägbarkeiten. Mal klang es toll, mal grottig. Mitschnitte unserer Gigs zeigten aber, dass wir an sich gut klangen und so wollte ich es auch auf jeder Bühne.
Das Zauberwort Monitormix
In den Zeiten, in denen ich musikalisch aufgewachsen bin, sah die P.A. für die meisten Rockbands und Clubs so aus: 8-16 Kanal Mixer mit 2-3 Band EQ und höchstens 2 FX und 2 Monitorwegen. Das bedeutet für's Monitoring: 1x Drumfill & 1x Gesangs-/Keyboards-Mix auf den Frontwedges. Damit konnte man im kleinen Club klarkommen, wenn man sich vernünftig aufstellte und gut einpegelte, aber Open Air war das immer nur die halbe Musik, je nachdem, wo man sich auf der Bühne hinbewegte. Oft hatte ich nicht die Spur Gitarre, wenn ich den Keyboarder "besuchte".
Monitormix, der alles viel besser machen sollte, den sich aber nur die Großen leisten konnten, war illusorisch. Hin und wieder kam man dann aber in den "Genuß", z.B. wenn man mal auf einem großen Event vor "großen" Kapellen spielen durfte. Und da war es dann auch wieder von hopp bis top: War Zeit für einen Monitorsoundcheck und waren nette UND fähige Leute für die Technik am Start, die auch die "kleine" Band ernst nahmen, dann konnte das alles klasse klingen. Leider war es genauso oft nicht so.
Unwägbarkeit ausschalten
Mitte der 2000er war es dann für mich soweit. Seit 03 hatte ich wieder eine "laute" Band (von 94-03 war ich nur "unplugged" unterwegs) und die Abhörsituation sollte sich für mich verbessern.
Mein Ansatz lautete Unabhängigkeit:
1. - Vom Raum/der Aufstellung
2. - Vom technischen Personal/der Ausstattung der PA
3. - Von aufwändigen Soundchecks
4. - Von der Bühnengröße
5. - Von Funkfrequenzen/Batterien
Das erreiche ich folgendermaßen:
Punkt 1 gelingt durch geschlossene In-Ear Hörer ab einer gewissen Qualität aufwärts. Zu Anfang hatte ich UE SF1, das sind die einfachsten Hörer von Ultimate Ears, dazu Schaumpasstücke. Inzwischen habe ich UESF5EB. Die angepassten Aufsätze habe ich wieder zu Gunsten der Schaum-Dinger weggepackt, da diese im Laufe der Zeit Luft zogen und somit der Sound immer leiser und dünner wurde. Da muß mein Hörgeräte-Akustiker nochmal nacharbeiten.
Punkt 2 gelingt bedingt. Ein fähiger Mischer für FOH ist und bleibt das A&O, davon kann man sich nicht unabhängig machen. Wir versuchen immer unseren festen Mann zu buchen, auch wenn vor Ort ein Techniker gestellt wird. Es ist eine lohnende Investition!!!
Habe ich aber einen guten FOH-Mann und klingt die Band gut und spielt diszipliniert, dann bin ich von allen anderen Aspekten der
Punkte 2 und 3 unabhängig. Ich lasse mir das FOH-Signal statt Monitormix geben (kein Soundcheck nötig, keine Diskussionen mit dem Monitormixer, etc.), mische mein Gitarren-/Axesignal in einem eigenen Kleinmischer der "Ohringer-Marke" dazu, der auch die Funktion des Headphone-Amps übernimmt, und fertig ist die Laube. Wenn man noch singt, oder die Gitarre mit Mikro abnimmt: Es gibt günstige Mikrosplitter!!!!
Die Klangregelung in so einem Mischer kann im Übrigen auch sehr nützlich sein.
Punkt 4 gelingt nur auf Mini-VA nicht so gut. Dort ist der Bass/das Drumset so laut, dass die FOH-Mischung nur "auffüllt". Dann habe ich nur Gesang, Keys und etwas Gitarre auf dem FOH. Da muß ich mich dann ggf. konventionell abhören (da kann ich aber zumeist auch nicht rumlaufen), oder mit einem extra Monitor-Mix arbeiten (was aber fast nie so geschieht).
Punkt 5 ist simpel: Ich verwende ein Fischer-Amps Doppelkabel statt Funke. Klingt klasse und kostet wenig. Man kann sich sonst auch 1 Gitarrenkabel und ein XLR-Kabel zusammenstrapsen. Das Ganze ist auch in Zeiten frequequenztechnischer Unsicherheit (digitale Dividende und ihre Folgen für die bestehende Funktechnik der Verleiher/Bands) sorgenfrei. Ein Spare-Kabel ist günstig (wie viele haben eine Ersatzfunke dabei???)
Unterm Strich
Auch mit In-Ear klingt es nicht immer perfekt. Aber ich kann mich immer gut kontrollieren. Und es gab schon etliche Gigs, da hatte ich das Gefühl: "Jetzt spielst Du gerade im Studio". Das geht dann in Richtung Soundnirvana. Ich höre, wie der FOH-Mann die Reverbs je nach Song umschaltet, wie geil unsere Sänger ihre Sätze singen, ich höre aber auch, wenn ein Kanalfader kratzt, und wenn der Bass leicht verstimmt ist.
Im Guten wie im Schlechten: Man hört alles!!!
Die Kosten halten sich bei meiner Variante in Grenzen und lassen auch das Testen zu, ob sowas überhaupt für einen in Frage Kommt.
So, das war mal wieder mein Senf zu der Thematik.
LG Jörg
edit: p.s.
Mir fällt gerade ein: Letztens hatten wir einen Gig mit Monitor Mix. Da war es nicht möglich (oder man wollte es nicht) mir ein FOH Signal zu geben. Da hatte ich bis kurz vor Beginn des Auftritts kein ordentliches Monitorsignal. Das hat der dann schnell noch zusammengeschraubt. Ich wurde echt nervös, weil ich das gar nicht mehr kannte. Sonst bin ich der erste, der Signal hat und ich kann sogar den Soundcheck verfolgen und hören, ob das Set ordentlich gestimmt ist oder unser Bassist neue Saiten hat...