Auch das allererste Mikrofon war digital. Philipp Reis hatte es so konstruiert, dass nur zwei Zustände möglich waren (Stromkreis geschlossen oder eben nicht). Klang nicht sonderlich gut, aber funktionierte. Bell und Gray hatten es dann weiterentwickelt, sodass auch Zwischenzustände möglich waren. Plötzlich war die Verständlichkeit deutlich besser. Bis heute sind Mikrofone analog. Mir fällt spontan jedenfalls kein digitales ein, selbst diese ultramodernen Mikrofonarrays, die z.B. in diesen Smart Speakern verschiedener Hersteller verwendet werden, nutzen mikroskopisch kleine Kondensatormikrofone. Klar, es gibt welche, die als digital bezeichnet werden, aber faktisch haben die halt nen Wandler eingebaut, das wars. Ein USB-Anschluss macht ein Mikrofon noch lange nicht digital
Man muss aber auch bei der Definition von analog und digital aufpassen. Man kann das teilweise unterschiedlich sehen.
Analog heißt ja erstmal analog, also das eine (Input) ist analog zum anderen (Output).
Die Auslenkung einer Mikrofonmembran ist analog zur Druckdifferenz vor und hinter der Membran (zumindest bei einem Gradientenempfänger).
Der Farbwert (z.B. RGB von schwarz 000000 bis weiß ffffff) hat in gewisser Weise auch analogen Charakter: Je höher die Helligkeit des jeweiligen Farbwerts, desto größer ist die hexadezimale Zahl von 00 bis ff (in Dezimalzahlen ist das 0 bis 256). Das ist 8 bit Farbtiefe. Natürlich gibt es zwischen diesen 256 Stufen auch Helligkeitswerte. Letztlich sind diese Helligkeitswerte aber nicht kontinuierlich, sondern durch Photonen auch diskret, also stufig. Ist die "wahre" Helligkeit nun also analog oder digital?
Definitiv nicht mehr analog sind sowas wie Dateiformate, z.B. für Fotos. Schaut man sich eine JPG-Datei in Reinform an, kann man da keine Analogien zum tatsächlichen Bild erkennen.
Schaut man sich die Datenströme innerhalb eines AxeFX an, sind auch hier sicherlich keine Analogien zu dem, was man letztlich hört, erkennbar.
Man kann auch sagen, dass das AxeFX ein analoges Gerät ist: Es nimmt schließlich ein analoges Signal an und gibt ein analoges Signal aus. Rein digital geht schlichtweg nicht, außer man nimmt ein rein digitales Instrument für den Input und pflanzt den Output per Maschine-Hirn-Schnittstelle direkt in unser Hirn. Horrorvorstellung! Rein analog geht aber.
Zurück zum Thema:
Beide "Welten" sind real, haben sich bewährt. Man kann sich aus beiden Welten bedienen. Wenn Paco und andere Ampdesigner mit derartiger Software effizienter werden beim Entwerfen von Designs und dadurch vielleicht sogar auf sonst nicht ersinnbare Designs kommen, dann ist das doch wunderbar! Wenn ein Cliff eine völlig andere Signalverarbeitung implementiert, welche durch analoge Bausteine überhaupt nicht möglich wäre, und es dann noch richtig geil klingt, dann ist das genauso wunderbar.
So Schwarz-Weiß-Denken, wodurch man das eine oder das andere kategorisch ausschließt und verteufelt, finde ich immer so schade. Genauso schade finde ich aber auch, das eine (normalerweise das Analoge) möglichst 1:1 ins andere (dann das Digitale) zu übersetzen (z.B. im Schulbereich bei Unterrichtsmaterialien ist das noch sehr weit verbreitet. Stichwort SAMR-Modell). Das macht nur Sinn, wenn das Digitale einen echten Mehrwert hat. Ist beim AxeFX und allen Modellern / Profilern der Fall: weniger Gewicht, flexibler, …
Würde jemand einen Modeller / Profiler bauen, der denselben Formfaktor, dasselbe Gewicht, dieselben Features, denselben Preis usw. wie ein analoger Röhrenamp, den dieser Modeller simuliert / der Profiler profiliert, hat, dann würde das Ding kein Mensch kaufen. Erst der Mehrwert macht den Modeller interessant, seien es Features oder eben völlig neue Sounds usw.
Es sind schlicht und einfach verschiedene technische Umsetzungen dafür, den Klang einer Gitarre zu formen. Sie sind keine Religion, der man abtrünnig wird, wenn man sich für die jeweils "andere Seite" entscheidet. Hier gibt es auch kein "besser / schlechter" und "falsch / richtig", es gibt nur ein "anders", ein "für mich und meine Ansprüche besser / schlechter".
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