Booster und Fuzz-Pedale gegen allzuviel reinlichen Sound

Winfried

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Wie diese Geschichten aus der „Steinzeit“ sich doch alle ähneln: Bei mir war das über den Plattenspielereingang kaputt gespielte Radio der Eltern ein 1959 Braun-Atelier 1, den ich dieses Jahr endlich restauriert habe, und in dem – quasi als Wiedergutmachung – heute 1 AX7und 2 EL84 von MesaBoogie werkeln müssen.
Billige Gitarren mit grottenschlechter Saitenlage – „playing till my fingers bleed“ singt Bryan Adams in „Summer of 69“, noch ein Leidensgenosse; Amps aus deutscher Wertarbeit, die nicht so klangen, wie wir es wünschten, verkauft von ahnungslosen Musikalienhändlern („wird immer gern genommen“) zusammen mit ganz üblen Transistorzerren als Notbehelf. Nobbi und ich sind mit dem TV68 bei „Whole Lotta Love“ ziemlich verzweifelt – wie wohl die meisten „Schaller-Opfer“ in dieser Runde auch.
Erst gegen Mitte der 70er, wie Solyth so schön sein „Luxusproblem“ beschreibt, waren die amerikanischen und englischen Amps und Pedale für junge Musiker in Deutschland dann auch gebraucht verfügbar und zu bezahlen. Und wieder war man nicht zufrieden, denn für Glam- und Hardrock waren die ollen Fenders und Vox nicht mehr angesagt. Und Echolette gehörte schon Dynacord - verschwand dann ja auch bald als eigene Marke.

Kann es nicht sein, dass unsere Suche nach dem „heiligen Gral“ des perfekten Sounds in Wahrheit aus dieser Frühzeit der „Entbehrungen“ stammt? So wie der Hunger der Nachkriegszeit das Konsumverhalten der Wirtschaftswunderzeit bestimmt hatte. Das Axe-fx ist heute doch unser Schlaraffenland mit allen, ja fast schon zu vielen Möglichkeiten. Mir geht es jedenfalls so, wenn ich mit jeder neuen Firmware die Amps in meinen beiden Ketten neu abstimmen muss.
Aber ich lerne dabei endlich auch, technische Besonderheiten der Amps zu verstehen – natürlich auch Paco sei dank.
Mir der ersten Band und dem ersten Gear wollte man doch vor allem eins: „wirken“ – auf die Mädchen. Na klar, auch Musikmachen – aber laut und heftig.
Wenn ich 1970 mehr von der Funktion der Röhrenamps kapiert hätte, dann hätte ich den Dynacord Eminent II schon so wertgeschätzt, wie heute unser Adlerauge aus Helvetien. Auch der Klemt-Echolette M40 soll man rückblickend bitte kein Unrecht tun, denn dieses Teil kann – richtig bedient – richtig geile Sounds machen:
https://www.youtube.com/watch?v=4kD9_W9oZtc
Aber Bonzo, mein Eindruck damals, bezogen auf eine an allen Eingängen bis zum Stehkragen belegten und bis zum völligen Verschwinden des „Magischen Auges“ hochgefahrenen Gesangsanlage, war genauso wie Deiner. Und im Hinterkopf immer diese völlig irrationale Sehnsucht nach der neuesten PA von WEM, weil Pink Floyd die gerade auch spielten.

Übrigens Paco, Dein alter Bruzzel klingt ziemlich gut. Hier noch ein Bilderrätsel für Dich.
The first one.jpg
Das war 1968 wirklich mein erster – und was da so rechts rauslugt, ist die berüchtigte „Quelle-Strat“. Warum nur zuckt meine linke Hand gerade wie wild?

Ach ja Wolfgang, dass Du Dich noch in den 90ern mit einem Hohner-Verstärker herumschlagen musstest, hat mich doch erschüttert. Ich hoffe, es war wenigstens der Vollröhren "Orgaphon", denn der wäre zusammen mit dem Hohner-Clavinet heute schon wieder ein echter Klassiker. Aber eben nichts für Gitarristen.
 
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Hubi72

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Auch nicht schlecht :)

Meine erste war eine sogenannte Hertiecaster:



[Quelle: http://www7.pic-upload.de/20.10.13/oyz9cmgiehm6.jpg]

Standesgemäß gespielt über eine Telefunken Stereo-Anlage und zwar angeschlossen über den Phono-Eingang, damit es auch saumässig zerrt. Alle fünf Stunden waren die Endstufentransistoren durch, die Höchtöner der Boxen aber auch. Der oben erwähnte Echolette (übrigends ein CA 30) war dann mit einer Ibanez PF 100 schon der zweite Versuch, nachdem die dauerenden Reparaturen der Stereoanlage einfach zu teuer wurden :)
Aber das Ding hatte sogar nen Stahlhalsstab..........
 

Hubi72

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Ach ja Wolfgang, dass Du Dich noch in den 90ern mit einem Hohner-Verstärker herumschlagen musstest, hat mich doch erschüttert. Ich hoffe, es war wenigstens der Vollröhren "Orgaphon", denn der wäre zusammen mit dem Hohner-Clavinet heute schon wieder ein echter Klassiker. Aber eben nichts für Gitarristen.

Neeein, eben nicht.........es waren ein Universal-Transistorverstärker, der für Keyboard geeignet war und eben auch einen Kanal hatte für E-Gitarre, der sich grausig schlecht anzerren ließ..........Hat mir ein Keyboardkkollege verkauft, da ich absolut anungslos war...Zusammen mit der Sperrholz-HohnerStrat, die mir eigentlich mein erster Gitarrenlehrer verkauft hat (der Schlingel) war das wohl der absolute Dreckssound. Ich habs überlebt und mich zum Diezel-VH4 hochgespielt im Jahre 98......ganz andere Welt.
 

Andy

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Aber das Ding hatte sogar nen Stahlhalsstab..........
Richtig.

Hätte ich gewusst, wofür das Teil gut ist, hätte ich ggf. sogar eine brauchbare Saitenlagen einstellen können :) Wobei, .... der Hals war so dermassen krumm, da hätten sie sich das Teil wohl auch sparen können :)
 

Solyth

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Wenn ich so nachdenke, von Verfügbarkeit amerikanischer Gitarren kann man für die 70er grosszügig sprechen, aber ein echtes Anebot gab es zumindest in Hamburg nicht.. Neue Instrumente waren die absolute Ausnahme - das gleiche galt für Amps. Zum Sucher eines heiligen Grals bin ich ampseitig nie geworden bei mir lag der Fokus immer auf den Gitarren. Das rührt von einem unglaublichen Glücksfall her, nämlich dass mich ein Händler im zarten Alter von 16 Jahren mal auf einer 59er Burst eine ganze Stunde hat dengeln lassen. Die Klampfe war unglaublich (auch superb eingestellt) und hat mit jedem Amp tolle Sounds produziiert.
Danach ging es mir nur darum diese Gitarre zu bekommen - wurde nix, aber nach einigen Jahren hatte ich meine Hammer-Paula und war für verschiedene Studios tätig.

In dieser Zeit habe ich sehr viele unterschiedliche Amps benutzt und je nach Anforderung mit Zerrern kominiert (Muff, Fuzz, Dist etc) Dabei gab ich den Gedanken, aus einem Amp DEN Sound zu bekommen, auf. Manche Amps waren clean andere zerrten, manche brauchten enen kräftigen Tritt, andere kamen mit weniger aus. Meinen persönlichen Soundneigungen kamen am ehesten die Marshalls JCM 800 entgegen.

]Und jetzt komme ich wieder zu Zerrern: Im Mittelalter, also den 80ern war mir der Lead Kanal meines JCM 800 zu wenig. Ich wollte das, was man heute als Scoop bezeichnen würde und zwar ohne das sich der Ton überschlägt. Der Clean Channel des 800 gefiel mir sehr gut und ich musste an Omas Radio denken. Nach einigem Probieren kombinierte ich den Clean Channel mit einem Ibanez Metal Master. Das war dann der Kracher. Ein DM 1000 dazu und ein Lexion Hall - da kam was. Also noch einen 800er, ein weiteres Lexcon und das war die Wand, die ich wollte. Klingt für viele sicher ein wenig nach Blasphemie, aber der Sound war noch offizieller als der des heissen Kanals.

Das ist nun lang her und mittlerweile bin ich auch von dem Gedanken weg, es gäbe die eine Gitarre für alles. Aber ich finde fast alle wesentlichen Ampsounds von damals im Axe wieder.
 

Winfried

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Sieht aus wie einer dieser Mixing Amplifier, die es damals von Dynacord gab. MV irgendwas.....

Weiss aber nicht genau....

Fast!!!
Philips EL6441 http://www.radiomuseum.org/r/philips_mischpultverstaerker_el64_1.html
Natürlich gebraucht gekauft - für sehr kleines Geld. Ein Mischverstärker mit Phono- und Mikrophoneingang, auch mit 100 V Lautsprecherausgang als ELA für Veranstaltungsbeschallung, allerdings bei 25 V an 16 Ohm bei vollem Volume dann auch mit Crunch. Die 40 Watt Leistung kamen an dieser Dynacord-Box (schwacher Wirkungsgrad) jedoch leider nicht so Geltung.
Der ältere Schulkamerad, von dem ich dieses 50er Jahre Teil (noch mit Hühnerfuß Potiknöpfen) kaufte, hatte es mir mit seiner echten, roten 60er Stratocaster schmackhaft gemacht: "Puple Haze" und "Sunshine of your Love". Mit meiner Quelle-Strat kam ich da natürlich nie hin.
Deshalb kann ich Solyth's Leidenschaft für gut Gitarren heute sehr gut nachvollziehen und bin mit dem Axe und all seine Möglichkeiten (meistens) zufrieden.
 

Andy

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Und jetzt komme ich wieder zu Zerrern: Im Mittelalter, also den 80ern war mir der Lead Kanal meines JCM 800 zu wenig.
Juhu, ich bin nicht alleine :)

Wir haben uns damals die billigen EGRO Röhren gekauft, damit hatte der MR2203/04 schon etwas mehr "Eier", dann nen Tube-Screamer oder einen Boss Overdrive oder Distortion davor. Nur bei Stopps musste man schnell sein und das Overdrive Pedal schnell ausschalten. Noise Gates waren uns damals nicht bekannt.
 

michl_666

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Ich merke schon, dass ich deutlich später dran war ... :biggrin:

IBANEZ GX30, 30W Transistorcombo mit fürchterlicher Zerre. Dann einen ARION Metal Master davor und es ging die Sonne auf ... für ca. 4 Wochen ... Wobei der ARION Chorus gar nicht schlecht war. Und das IBANEZ DDL Digital Delay auch nicht. Aber mit den ersten Röhren im ORANGE Topteil hat sich der Sound dann gut entwickelt. Wegen fehlendem Hall dann aber auch irgendwann verkauft. Das war schon ein Gear-Karussel. Heute dreh ich am AXE nen Amp weiter und hab den gleichen Effekt und muss nicht mal aus dem Haus! Manches war früher eben doch nicht besser.
:bounce::rock:
 
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