@Andy: Ich glaube, daß viele Gitarristen Sound mit Lautstärke verwechseln. Da ja erwiesen ist, daß das menschliche Gehör (und speziell das von Rockmusikern) eher nicht gerade die Krone der Schöpfung ist, wenn wir uns da im Tierreich umsehen, braucht es einfach eine gewisse Mindestlautstärke, die notwendig ist, um einigermaßen "gleichmäßig" über den gesamten Frequenzbereich
zu hören. Ich glaube, mich zu erinnern, das Bruce Swedien (Engineer unter anderem vom "Thriller"Album von MJ) gesagt hat, daß diese Lautstärke etwa bei 96 dB liegt. Das ist schon ganz laut, würde ich sagen.
Da so manches marshallige Ungetüm seinen "Sweet Spot" oftmals weit jenseits dieser Lautstärke entwickelt, gilt hier wiederum, was Wilhelm Busch so schön sagt: "Oft störend wird Musik empfunden, weil so oft mit Lärm verbunden."
Ich hatte gestern und heute wieder den Gitarristen einer 70s -Style Progrock-Band im Studio, der einen 50watt 1959er SLP mit diversen Fender Strats aus den 70ern und 80ern spielt. Um "seinen" Sound zu bekommen, muß er das Teil ganz schön audrehen, womit wieder seine Bandkollegen und die Tontechs, speziell in kleinen Locations, Probleme bekommen.
Darum hat er eine Powersoak zwischen Amp und Box. Und die wiederum klaut ihm nicht nur Lautstärke, sondern auch wieder eine Menge von dem, was er eigentlich hören möchte.
Um die Rhythmus-Spuren einzuspielen, bin ich mit einem Arsenal von diversen Mikros (die üblichen Verdächtigen) zu ihm in den Proberaum, wir haben im Raum daneben eine mobile Abhöre eingerichtet und den Amp "arbeiten" lassen...dann noch die Mics an den verschiedenen Stellen seiner Framus Cobra 4x12er mit V30ern....und ab ging die Post. So weit so gut. Von 8 Songs schafften wir mal die Rhythmus-Spuren von 6 Songs.
Um Zeit (und auch deren Geld) zu sparen, schlug ich vor, daß er die restlichen Spuren bei mir im Studio übers Axe einspielt, mit der Option, daß wir ein unbearbeitetes Signal fürs Re-Amping bereithaben, um dann vor dem Mix damit sein "echtes"Setup zu speisen, und dann die Axe-Spuren damit zu ersetzen.
Das Einstellen eines Sounds, bei er aus dem Staunen und Grinsen nicht mehr rausgekommen ist, hat gerade mal 10 - 15 Minuten gedauert, und wenn er es mal etwas anders brauchte, wurde einfach schnell mal ein neues Üreset gespeichert.
Wir haben mittlerweile die "Hoffnung" aufgegeben, die Qualität, die ja jetzt auf Platte ist, mit seinem Setup nachzubauen, denn nachdem er heute noch einige Rhythmus-Tracks mit dem Axe eingetütet hat, habe ich den klaren Vergleich zwischen echtem Setup und dem Axe. Aber das ist halt Studio, da geht so gut wie alles leichter.
Meiner Meinung nach ist nicht das Cab-Modelling in den Kindeschuhen, sondern das Verständnis, wie man mit so einem Axe FX in der Band umgeht, und das hängt nicht nur vom Gitarristen, sondern von den Bandkollegen ab.
Wenn du zB. In einer Kombo spielst, wo doppelte 4x12 Wände notwendig sind, weil sich der Bassist weigert, sein 1000-Watt Stack leiser zu drehen, oder der Drummer immer nur im Brutalo-Modus unterwegs ist, oder die Musik einfach nur immer auf die Zwölf geht, wirst du ganz einfach eine adäquate Anlage brauchen, um da selber etwas zu "spüren" was dem Empfinden eines Fullstacks nahekommt. Eine einzige q12 in einer Metal-Band halte ich zB. Für absolut unterdimensioniert, 2 davon und 2 Deeflexxes machen da die Sache sicher leichter.
Wichtig ist da aber auch, daß da die Band als solches auch an ihrem Sound arbeitet, und daß da eine gewisse Toleranz und Lernbereitschaft von Seiten der Kollegen herrscht, denn sonst wird das nie was. Eine Aussage wie "Die 2 Marshalltürme mit dem 4 Boxen Klang um einiges geiler als der kleine Taschenrechner mit der Baby-Box..." wäre da eher kontraproduktiv.
Ich selber hatte es einfach irgendwann satt, immer mit einem Klingeln in den Ohren nach der Probe nach Hause zu kommen.
Sound muß über Klang entstehen, und nicht über Lautstärke.