Als ehemaliger Röhrenamp Nutzer, vormaliger Axe-Fx Standard (+FCB1010) User und jetziger Axe-Fx II mit MFC-101 Spieler stimme ich im groben Andys Szenarien zu, aber die sind sicherlich schon auch etwas plakativ und natürlich vom Gerät ausgehend zugeschnitten. Ich versuche das Pferd mal von der anderen Seite aufzuzäumen. Also nicht vom Gerät zum passenden Szenario, sondern vom "Mucker", der ein passendes Gerät sucht. Und hier muss ich wohl oder übel etwas weiter vorgreifen und erstmal die rhetorische Frage in den Raum stellen: Warum überhaupt ein Modeller?
Was waren die Beweggründe für den kometenhaften Aufstieg der Line6 PODs, der Boss GT-Reihe und Konsorten? Und spinnen nicht auch diese Gerätschaften nicht nur einen Gedanken weiter, den eine andere Geräteklasse entworfen hat? Nämlich die, der Multieffektprozessoren? Und sieht man mal von einigen Versuchen Ende der siebziger, Anfang der 80er ab, wo ein par Hersteller ihre analogen Bodentreter in einem 19" Gerät oder Bodengerät zusammengefasst haben, so scheint mir doch der Einzug der Digitaltechnik der Ausgang zweier grundlegender Phänomene zu sein:
1) Viele Effekte konnten auf einmal relativ "preiswert" in einem Gerät vereint werden. (Und ich konzentriere mich jetzt hier nicht auf Lexicon und Eventide, sondern auf die Alesis Quadraverbs und Korg A5`s dieser Welt (die ich beide mal hatte).
2) Das Ende der "one knob - one function" Ära.
Im Resultat hatte man also jede Menge Presetschleudern, die auch beieindruckende, verrückte Sounds machten, die man zuvor niemals hätte bezahlen oder gar erdenken können, an der Hand. Und für mich als geschmacksneutralen Teenager dieser Zeit war das ein Eldorado. Guter Sound war, wenn möglichst viele Effekte am Start waren. Man musste seine Unzulänglichkeiten an der Gitarre verschleiern und ein geschmack über "guten" oder "schlechten" Sound gab es kaum. Das Gehör war ungeschult und kannte sowieso nichts anderes. 8bit? 12bit? 16bit? A/D D/A Wandler? Keine Ahnung ... ich drückte auf einen Knopf und hatte Hall! Das war cool! Fertisch! Und die Kisten gibts ja auch noch heute ... Diese ganzen "Multi-Bodentrater" zwischen 50 - 100 Euro ... hallo?! Würdet ihr euch sowas heute nochmal antun? Neee, oder?
Als Resumee bleibt aber: Viel Soundvariation für wenig Geld. Und das versprechen von Line6, mit den PODs nun alle möglichen echten Röhrenverstärker incl. massig Effekten in einer Kiste zu haben, die man sich auch zu Weihnachten wünschen konnte klang segenreich. Ich selber hatte sowas allerdings nie, denn ich war zu der Zeit damit beschäftigt endlich meinen ersten "echten" Röhrenverstärker zu beschaffen. Einen Fender Blues Deluxe, 1. Serie, noch amerikanische Produktion (und ich Depp hab irgendwann für nen Appel und nen Ei verhökert ... der war eigentlich echt gut!). Also weiter: ES335 und Fender Blues Deluxe. War super! Volle Kehrtwernde: Amp, Kabel, Gitte - fertisch. Dann kam noch ein Tubeman (der alte schwarz/blaue ... vor Jahren für ... nee, ich kanns nicht sagen ,aber wer verkauft sowas auch auf nem Flomarkt, könnte mir in den A.. beissen)... so ging das hin und her: Viele Effekte, keine Effekte, viele ... usw.
Anyhow: Die Idee dieser Consumer Modeller Versprach: Alle Sounds, alle Effekte für weniger als die Kosten eines gescheiten Amps. Was will man mehr?! Das wurde wohl auch schnell klar: Sound! Guter Sound! Denn die Modeller setzten da an, wo die "günstigen" Multi-FXe aufgehört hatten: Alles ging, aber nix wirklich dauerhaft zufriedenstellend.
Mit dem Axe-Fx kam dann (meiner Meinung nach) wirklich das erste Gerät auf den Markt, dass soundmäßig den Anspruch durchsetzen konnte, kompromisslos gut zu sein. Keine halben Kompromisse, kein: "Naja, alles schön und gut, aber....". Und die "Aber`s" höre ich natürlich auch heute:
Aber FW9 ist besser als 3, aber das Ultra kann mehr als der Standard. Aber das Axe-Fx II klingt doch jetzt erst, wie die echten, aber eigentlich .... ?! Ich lasse das einfach mal so stehen, denn das ist nicht mein Punkt. Mein Punkt ist:
Kann ein Axe-Fx mich soundmäßig so zufriedenstellen, dass ich mich nicht mehr nach anderen Effekten (analog oder digital) umsehe (auch wenn ich es tue, ich habe halt Spaß an dem Krams)? Klingen die Amps so gut, dass ich meinen Röhrenverstärker zu Hause stehen lassen kann?
Ja, tut es! Und mein Koch Studiotone samt Bogner Cube Box blieben zu Hause stehen....
Die Frage nach der Verstärkung, wie und unter welchen Bedingungen was wie klingt haben wir in anderen threads ausufernd diskutiert - das lasse ich hier aussen vor. Der Punkt ist (für mich):
Ja, das Axe-Fx kann das alles ersetzen, was ich vorher hatte oder immer haben wollte. Und zwar das Axe-Fx Standard! Das hatte ich knapp 3 Jahre in meiner Band im Einsatz.
Ja, aber wieso habe ich dann jetzt ein Axe-Fx II? Und wieso bin ich aber vorher nie auf ein Ultra umgestiegen?
Und jetzt habe ich es endlich geschafft zum Kern der Themenfrage vorzustoßen. Uff …. :
Standard JA – Ultra NEIN. Darum:
Das Axe-Fx Standard bietet mehr an Effekten und Möglichkeiten, als ich jemals brauchte. Ich brauche kein Multitapdelay, auch kein Crossover, der Multikompressor? Nette Idee, aber brauchen? Nö. Synth-Block? Ne, ich spiele Gitarre und bin auch nicht so der "Jean-Michel-Jarre", außerdem haben wir einen Keyboarder.
Das einzige, was mich am Ultra irgendwann gereizt hat, war die schlichte Tatsache, dass man MEHR auf EINMAL in ein Preset laden konnte. Es war ein Komfort-Wunsch, schlicht weniger dedizierte Presets verwalten zu müssen, um mehr Durchblick zu haben und beim umprogrammieren weniger Presets anpassen zu müssen. Allerdings hatte ich keine MFC, sondern (kurzweilig sogar zwei) FCB1010. Und die Verwaltbarkeit und Steuerung von Effekten hatte ich mit der Zeit gemeinsam mit dem Axe-Fx Preset-Layout perfektioniert, voll ausgereizt. Die Grenze zog das FCB. Mehr Effekte in einem Preset hätten mir keinen Vorteil verschafft, weil ich dann die Übersicht mangels gescheiter Anzeige der FCB verloren hätte (im Live-Gefecht -> Preset 1: Chours auf Schalter 3, Preset 2: Phaser auf Schalter 3,etc…ja wo war jetzt doch und ist hier … oder nicht? Scheisse, ich muss ja Gitarre spielen … Mist, Einsatz verpasst … ). Der andere Grund der dagegen sprach: Soooooo viel Effekte mehr kann das Ultra nun auch wieder nicht! Böse ausgedrückt: Den zweiten Amp-Block mit ins Preset und damit ist der Vorteil der Mehrleistung des Ultras pi mal Daumen aufgebraucht. Dafür war mir der "Upgrade"-Preis zu hoch. Also weiter Standard …
Standard "reicht" – Wieso dann Axe-Fx II ?
Das Axe-II wollte ich, seit Cliff im Mai 2011 die "Hosen" runter gelassen hatte. Und ich wollte es so "badly"! Ein "Ultra-"Prozesor NUR für die Effektsektion und die X/Y Funktionalität hatten es mir vom ersten Tag an angetan. Ich löcherte die Amerikaner mit Fragen, ob ein von mir erstelltes Layout im Axe-Editor auf dem IIer laufen würde. Mein Plan: 4 wählbare Amps plus Mega-Pedalboard mit allem, was das Herz begehrt in EINEM Preset. Die Antwort, die ich herauslas war: JA, GEHT (gerade sooo noch). Machte aber nur Sinn, wenn man auch eine MFC hatte, ansonsten war das nicht zu steuern. Geschweige denn, die Übersicht zu behalten. MFC und Axe-II? Kostet Geld! Eine Menge Geld! Zuviel Geld, um ein Luxusproblem zu lösen. Dann kamen die Updates, FW3: Impulse Responses erstellen auf Knopfdruck. Wow … konnte ich aber auch extern mit DAW und Voxengo Deconvolver. Trotzdem: Ich wollte es einfach! Ich war heiss, ja ich stehe auf diese Maschinen, was soll ich machen?! Da schlägt auch mein Tekkie-Herz, ganz klar. Und irgendwie war es ein "Rennen gegen die Zeit": Geld sparen für ein Axe-II und MFC und gleichzeitig Geld verlieren, weil klar war, dass die hohen und stabilen Gebrauchtpreise für die GEN1 Maschinen nicht zu halten sein würden…mist, mist, mist … In der Zwischenzeit spielte ich viel mit Ozone EQ-Matching rum und dann kam irgendwann FW6 mit dem TMA Block….. das gab mir den "Rest".
Also jetzt IIer. IIer mit FCB1010 macht aus meiner Sicht wenig Sinn. Dann kann man auch das Axe-Standard weiter nehmen. Mit der MFC als Controller eröffnen sich aber neue Horizonte, was die Verwaltbarkeit und Steuerungsmöglichkeiten angeht. Und der nächste Horizont mit den "Scenes" steht ja vor der Tür. Da kann man das Axe-II richtig "ausfahren". Mein Mega-Pedalboard-Preset tut, und die vielen Annehmlichkeiten machen einem das Leben einfach leichter: Kopfhöreranschluss, USB-Interface, beschriftbare (!) User Cabs, etc. IRs selber schiessen im Handumdrehen, TMA Block….
Für MICH macht der Mehrpreis dann auch Sinn: Ich nutze alle diese Features auch:
- Klar, über Kopfhörer ging vorher auch, aber da musste ich den Rechner immer hochfahren, weil ich nur über das Audiointerface an den Kopfhöreranschluss gekommen bin (und nicht noch eine kleinen Extramixer kaufen wollte).
- Cab Block mit bissi Roomverb für die "nachts um drei Kopfhörer Session"? Klasse – spare ich mir den CPU teuren extra Reverb Block für nur etwas Predelay…
- Mit Cubase bin ich groß geworden: Axe-Fx als Audio-Interface? You`re welcome!
- TMA-Block? Jo! Geil! In 30 Sekunden das gemacht, wozu ich vorher mindestens eine bis 1,5 Stunden am Rechner SineSweeps rumgeschubst habe, dann hin und her konvertiert, in zwei Programmen zusammengefasst, IR erstellt, konvertiert – ins Axe verschoben …
- Beschriftbare IR User Cabs? Gleich 50? Klasse – endlich weiß ich nach drei Tagen auch noch, was wo drin ist, ohne Listen in Excel führen zu müssen.
- Riesiges Mega-Pedalboard mit Amp-Switching? DER Traum ist Wirklichkeit geworden.
Soundvorteile? Ja, ich finde definitiv auch, dass das Axe-II MITTLERWEILE sofort unterscheidbar zu GEN1 ist, besser klingt, Sounds leichter zu erstellen sind, etc… Mittlerweile möchte ich es auch nicht mehr missen. Auch so ein paar Amps nicht mehr. Den Badger zum Beispiel. Oder den JCM800 aus dem IIer (der einfach echt ne Ecke geiler ist, als der im Ier … die Höhen brazzen einfach mehr, weniger "kratzen" - mehr "brazzen"...oder so,... finde ich). Oder oder oder. ABER: Hätte ich keinen IIer, hätte ich den Unterschied nie selber "erspielt" – mir würde DANN am Ier nichts fehlen! Deshalb euch Ier Besitzern: Probiert den IIer niemals aus, wenn ihr ihn nicht auch kaufen wollt!
Und in der Band? Im Kontext? Live auf der Bühne? Im Bühnen-Gefecht? Hört keine Sau! Da hört das Publikum eher eure Spielfehler! (Oder besser: Meine .... örgs). Da bin ich ganz bei Andy!
Um es kurz zu machen (haha ... ): Ich genieße die neue Amp-Simulation des IIers (auf dem Niveau ab FW6 aufwärts). Aber eigentlich sind es die ganzen vielen anderen Punkte, die ich oben beschrieben habe, die für das IIer sprechen.
Und was ist der nun? Der Benefit? Nunja, …. Die Befriedigung eines Luxus-Problems …. Allerdings ist diese Befriedigung fast … hmm manchmal sogar besser als Sex
Euer
axefx
PS.: Die Rechtschreibefehler könnt ihr euch sonstwohin ... Andys Finger tun vielleicht weh - meine spühre ich gerade nicht mehr ...