Winfried
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Es ist übrigens erstaunlich was man mit einer Arbeitspunktänderung eines Phaseninverters alles aus einem Amp herausarbeiten kann, wenn man genau weiss was man tut!
Die Fender-Amps der 60er Jahre waren ein Versuch Amps cleaner zu bekommen, so wie es die Bosse von Fender wollten, nicht wie die Musiker.....zahlreiche Missinterpretationen wurden bei den Musikern als Referenz genommen, nicht weil es so geplant war, sondern weil die Musiker es cool fanden.......
Fender hat meiner Meinung bis Mitte 70er gar nicht gewusst was sie da genau bauen......und erst Ende 90er dann richtige Amps gebaut. Aber das ist bloss meine Meinung!
Verehrter Paco,
zum ersten Punkt muss ich Dir als echter Zeitzeuge widersprechen: Bis zum Verkauf von Fender an den CBS-Konzern 1965 standen die Wünsche und Interessen der Musiker eigentlich immer im Mittelpunkt der Entwicklungen. Nach dem brummigen Crunch der 50ties-Tweed- und early-Sixties-Brownface-Aera, die noch für (schwarzen) Jazz und Boogie sowie für Rock'n Roll standen, wollten vor allem die etablierten Musiker moderne, d.h. vor allem bei höheren Lautstärken cleane Amps spielen. Die Ingenieure und Techniker bei Fender konnten mit den Blackfaces zeigen, dass auch sie fortschrittlich waren - also clean und laut konnten. Das entsprach genau dem musikalischen Zeitgeist der Mid-Sixties: Blitzsaubere (weiße) Countrymusik und Instrumentals a la Chet Atkins sowie Unterhaltungsmusik von Bert Kaempfert ("Strangers in the night" war damals ein Nr. 1 Hit) bis zu den "Ventures" und "Beach-Boys" bestimmten den weißen US-Markt. Diese Leute hatten Erfolg und das Geld - waren der lukrative Markt für Instrumente und Amps. Nur mit der Neuentwicklung der "Jazzmaster"-Gitarre hatte Fender sich verkalkuliert. Diese angebliche "Alleskönner"-Gitarre wurde von den Musikern nicht besonders gemocht. Man sah sie eigentlich nur in Tanzkapellen und bei den "Ventures". In England spielte Hank Marvin als einer der wenigen Europäer eine Strat an AC-30 TB mit den Shadows - ebenfalls ultraclean.
Parallel dazu erlebten die USA die "British Invasion" und selbst Vox baute für das Beatles-Konzert im Shea-Stadium cleane 100 W Heads mit größeren Boxen, denn eine Abnahme von Gitarrenamps über die PA gab es noch nicht. Die Beatles sangen über die Breitbandspeaker des Stadionsprechers, was aber im allg. Gekreische völlig unterging.
Aus der Sicht der damaligen Musiker war Cleansound in der Tat kein Mythos sondern d e r moderne Klang der Zeit und ein Fender Twin, Deluxe oder Showman deren Standard-Amp. Erst mit Hendrix, Cream und all den andere Rock-Heroen änderte sich ab 1966/67 der musikalische Zeitgeist und die Marshall-Türme dominierten die Bühnen und den Sound. Und genau davor verkaufte Leo Fender 1965 an CBS - Du siehst, der wusste ganz genau, was er tat.
Mit der knallharten Kostenrechnung des branchenfremden Konzerns begann die Elendsstrecke bei Fender. Die meisten Instrumente mit den Blockinlays der Siebzigerjahre waren von erschreckend schlechter Qualität. Die Silverfaces Amps erhielten einen Zugschalter im TreblePoti für lächerliche Zerranteile im Sound, da der bis dato fendertypische Cleansound völlig aus der Mode gekommen war. Die CBS-Bosse bei Fender hatten in ihrem Profitdenken diese neue Entwicklung hin zu härterer Rockmusik völlig verpasst, und nach dem endgültigen Ausstieg von Leo Fender zu Beginn der 70er Jahre wusste in der Tat niemand bei Fender mehr wirklich Bescheid. Die lange Krise kam erst nach dem neuerlichen Verkauf der Firma 1985 zum Ende. Insofern hast Du dann auch wieder recht, dass erst danach wieder wirklich ordentliche Amps von Fender gebaut wurden. Das, was Du heute mit Deinem Amp-Revoicing schon fast zur postmodernen Kunstform erhebst, wäre den Fender-Technikern 1965 noch gegen die Berufsehre gegangen.
Grüße aus Köln von
Winfried