Wobei allerdings noch eine Erfahrung meinerseits über die Jahre hinzukommt,
die zwar nicht unbedingt mit der Spielgeschwindigkeit in Zusammenhang steht,
aber nach meiner Auffassung einen sehr wichtigen Meilenstein in der Entwicklung
eines Gitarristen darstellt.
Ein Effekt, gleich dem Problem des Tausendfüßlers, wenn er beginnt darüber nachzudenken,
welchen Fuß er als nächstes bewegen soll ;-)
Würde er dies machen, würde es ihn in heillose Verwirrung stürzen ...
Solange wir darüber nachdenken müssen, welcher Ton oder welche Harmonie als nächstes gespielt
werden muss oder sollte, stehen wir subtil ständig vor einem ähnlichen Problem.
Wenn man an dem Punkt (in etwa), da viele Dinge auf dem Griffbrett weitestgehend automatisiert ablaufen,
beginnt, während des Spielens in Melodielinien und Harmoniestrukturen zu denken,
eröffnet sich eine völlig neue Sicht und Perspektive auf das, was man gerade spielt.
Dies ist dann der wichtige Punkt, an dem der Raum für Kreativität entsteht.
Da bekommen dann alle stilistischen Mittel, ähnlich den vielen Farben eines Malers, eine neue Bedeutung.
Nur schnell, nur Bendings, ständig Vibrato, ... käme dann einer Maltechnik gleich, bei der das ganze Bild
nur aus einer Farbe besteht.
Das kann im Einzelfall sehr interessant sein;
Allerdings eine ganze Gallerie voller schwarzer Bilder lässt recht schnell Langeweile aufkommen;
Kennt man eines, kennt man alle.
Übertragt diesen Gedanken mal auf Musik ...
Nebenbei, eine gute Übung dazu ist,
ohne Gitarre zu einem Song zu improvisieren.
Es reicht, die Melodie zu summen.
Das bringt einen dahin, abseits des Griffbretts ein Gefühl für Melodielinien und Harmoniewechsel zu entwickeln.
Später beginnt man, auf der Gitarre Harmonien zu spielen, und ebenfalls improvisierte Melodien dazu zu summen
oder zu singen (da geht es nicht um die Schönheit der Stimme, sondern darum, dass es möglichst gut passt).
Der dritte Schritt wäre dann, diese Melodien zu einem Backingtrack auf der Gitarre zu spielen.
Und zwar in dem Moment, in dem sie im Kopf entstehen.
Abgesehen von dem Backingtrack-Einsatz ist übrigens ein Metronom oder Ticker sehr ratsam,
weil dies mit der Zeit ganz enorm die Timing-Festigkeit trainiert!
Manch einer denkt jetzt wahrscheinlich, dass mache ich doch ohnehin die ganze Zeit ...
Wirklich?
Wenn man sich selbst beim Spielen beobachtet, bemerkt man schnell, ob man etwas
zuerst im Kopf entwickelt und
dann spielt,
oder ob man
nur spielt, aber die Melodie dabei nicht im Kopf entwickelt und
unmittelbar vorher "hört".
Etwas erleichtern kann man sich zu Anfang die Arbeit, wenn man sich an dem Improvisationstil der 1940er Jahre im Jazz orientiert.
Charlie Parker, Dizzy Gillespie etc. entwickelten damals den Bebop.
Zugleich begann man bewusst
harmonisch orientiert zu improvisieren.
Das bedeutet einfach ausgedrückt, ich passe meine Melodielinien immer der jeweiligen Harmonie (und Tonleiter) an.
Und dies wiederum erleichtert einem etwas die Wahrnehmung dafür, ob die Melodie sich harmonisch zur gespielten Harmonie verhält.
Aber jetzt bin ich recht weit vom Ursprungsthema abgeschwiffen ;-)
Egal;
Vielleicht interessiert sich ja jemand für solche Dinge.
Bis die Tage,
Mike