Hi,
bin gerade erst stolzer Axe-Fx II XL+-Besitzer geworden und noch neu hier, aber zur Gitarre kann ich hoffentlich noch ein bisschen was beitragen.
Diese Custom dürfte nach den Specs aus der späten Norlin-Ära stammen, wahrscheinlich 1980-82. Wenn die Seriennummer jetzt doch lesbar war, gibt das schon den wichtigsten Hinweis, und 10/1980 passt zu dem, was ich hier so sehe.
Zumindest die Tonpotis dürften orginal sein, und ihre Codes weisen auf CTS-Potis aus 1979 bzw. 1980 hin. Wie schon richtig bemerkt, wurde der Schriftzug auf dem Headstock für 1981 etwas abgeändert, allerdings sind Änderungen fürs neue Modelljahr damals wie heute oft schon im letzten Quartal des Vorjahres verbaut worden. Auch der Aufkleber am Pickguard würde zu dieser Zeit passen, ebenso die Tuner mit den seitlichen Schraublaschen, das sind Schaller M6 180 mit Gibson Logo. Die Volute am Hals wurde AFAIK ab 1982 nicht mehr verwendet.
Ganz sicher kann man sich bei diesen Dingen nicht sein - Potis z.B. wurden natürlich nicht nach einem Jahr weggeworfen, sodass sie nur einen Anhaltspunkt für das früheste mögliche Jahr geben, wenn die Lötstellen unberührt sind. Und gerade in Umbruchzeiten wie der späten Norlin-Ära oder bei Fender Anfang der 80er haben krisengeplagte Hersteller so ziemlich alles verbaut, was noch auf Lager war, um Geld in die Kasse zu bringen. Da kann man schon auch mal eine Volute bei einer Paula finden, die dafür eigentlich "zu jung" ist.
Interessant wäre es aber in der Tat, mal die Pickups rauszuschrauben und sich deren Rückseite anzusehen, mal abgesehen davon, dass manchmal auch irgendwelche Kritzeleien in den Fräsungen auftauchen. Von der Zeit her könnte die Custom die von Sammlern geschätzten "Tim Shaw"-Humbucker enthalten, mit denen Gibson sich wieder den alten PAFs annähern wollte. Genaueres müsste ich nachlesen, aber meines Wissens haben die Shaws idR einen zusätzlichen Datumsstempel, während die vorherigen T-Tops nur die Pat.Nummer. tragen und die späteren 490/498 ein Gibson-Logo.
Was einem mMn bei diesen Gitarren nicht heilig sein muss, sind die Volumepotis. Da wurden damals schon die unseligen 300 KOhm-Potis verbaut, die den Sound obenrum für meine Ohren doch ziemlich abwürgen. Aber wenn das mit dem "weichen" Sound wirklich rein positiv gemeint war, muss man da natürlich nicht zwaghaft was ändern.
Ein Rätsel bleibt mir das Rot, das anscheinend in der Transparentlackschicht über dem farbigen Lack (und damit auch den Bindings) sitzt. Ich wüsste jetzt nicht, dass der Lack sich von selbst so stark verfärben könnte. Ich will aber auch nicht ausschließen, dass die Gitarre ursprünglich z.B. Weinrot war (gabs bei Customs ja öfter), dann mangels Nachfrage ins beliebte Schwarz nachlackiert wurde und sich hinterher das Rot irgendwie "durchgefressen" hat. Dass der rote Farbstoff das grundsätzlich tun kann, sieht man bei älteren Standards oft am Neck-Binding, aber das hier ist halt schon sehr intensiv. Der Effekt könnte sich verstärkt haben, wenn die Gitarre schon bald nach dem Kauf, als der Nitrolack noch recht viel Lösungsmittel enthielt, überwiegend im Koffer lag, wo er nicht so gut aushärten kann. Immerhin würde die schlecht lesbare Seriennummer zu einem zusätzlichen Lackiervorgang im Werk passen, und das "Bleeding" wäre damit plausibel. Vieleicht kann man auch in soweit in den PU-Fräsungen was sehen. Die Alternative wäre eine Sonderbestellung oder eine "One Off" für die NAMM-Show oder eine andere Messe.
Auf jeden Fall eine extrem coole Gitarre.
VG, bagotrix