Dieser Vergleich hinkt so dermaßen
Ich finde es schon schade, wie überspannt diese Reaktionen gleich sind. Ich habe nichts verglichen, sondern nur die derzeitigen Zahlen angelegt. Ich impliziere damit auch keinen Vergleich, sondern setze die aktuelle Zahl in höchstens in Relation. Relation ist für mich nicht Verharmlosung.
Natürlich ließen sich die aktuellen Zahlen nicht verleichen. Dafür wissen wir zu wenig, dafür sind sie zu verzerrt und so fort. Deswegen auch meine weitere Erläuterung. Es geht nicht um Vergleiche, sondern um Risikobewertung Dazu komme ich weiter unten.
Einfach mal drüber nachdenken, wie viele Leute schon jetzt an dem Scheiß gestorben sind, die Zahl dann mal auf das gesamte Jahr hochrechnen
Meinst du ernsthaft, ich hätte noch nicht darüber nachgedacht? Und meinst du, eine Hochrechnung hielte deinem eigenen Argument in dem gleichen Post stand? Ich würde mich jedenfalls mit keiner solchen aus dem Fenster lehnen. Es spielt letztlich keine Rolle, wie viele Menschen daran sterben. So argumentiere ich seit lange vor Beginn des Lockdowns. Die Zahl spielt gar keine Rolle. Die Argumentation pro oder contra solcher Maßnahmen sehrwohl.
Und wenn Du nicht recht hast, dann gefährdest Du Menschen mit diesen Grippe-Vergleichen, weil sie vielleicht auf Dich hören und z. B. Wieder proben.
Wie ich schon schrieb: Das ist kein Vergleich. Und die Unterstellung, ich würde mit dem Post irgendwen gefährden, finde ich wiederum gefährlich. Ich stelle eine Frage - aus den genannten Gründen. Eine Frage, ein Gespräch, eine Diskussion muss immer erlaubt sein. Und wie jemand meine Worte aufnimmt und wie der daraufhin handelt ist verdammt nochmal nicht meine Verantwortung. Jeder ist für seine Taten selbst verantwortlich. Jeder darf selbst denken und Entscheidungen treffen. Oder sind wir schon in 1984 angekommen?
Die Letalität spielt letztlich keine Rolle für meine Frage. Sie lautet weiterhin: Ab wann setzt die Bereitschaft zum Risiko ein? Wie ernst nimmst du eine Grippe? Ich zum Beispiel nicht wesentlich - klar, ich bemühe mich, niemanden anzustecken - aber ich bekomme das Ding in der Regel nur alle zehn Jahre (wenn es dann überhaupt eine ist und keine stark Erkältung - da ich damit nicht zum Arzt gehe, weiß ich es nicht). Anfang des Jahres habe ich zwei mir sehr nahestehende Menschen an die Grippe verloren. Das ändert nichts an meiner Einstellung, setzt aber die aktuellen Geschehnisse und Argumente für mich in ein anderes Licht.
Beim Thema Rücksicht auf die Gesundheit/das Leben anderer Menschen frage ich mich natürlich, warum es bisher völlig in Ordnung war, das leibliche Wohl von Milliarden Menschen durch "unnötige" Flüge, "unnötige" Autofahrten oder "unnötigen" Energieverbrauch durch Rockkonzerte und die folgende Klimagefährdung aufs Spiel zu setzen, und wie wir uns jetzt gegenseitig ächten, wenn wir kerngesund "unnötig" für eine Jogging-Runde vor die Tür gehen.
Der Einwand leuchtet vordergründig ein nur scheint das Coronavirus deutlich ansteckender zu sein und ich hatte in 30 Berufsjahren noch nie eine Influenza, und ich bin den Patienten doch sehr nahe.
Schöner Satz neulich: " Es ist deutlich ungefährlicher 10 mal einen Busch für einen Bären zu halten als 1mal einen Bären für einen Busch! "
Ich bin da ganz bei dir. Man sollte keine unnötigen Risiken eingehen. Wenn du allerdings gar nicht in den Busch pisst, platzt deine Blase. Oder so ähnlich. Schau, du bist in einer anderen Situation als ich. Wir tragen alle unser eigenes Paar Schuhe. Die Risiken sind unterschiedlich hoch. Ich bin zum Beispiel auch extrem ungern krank - ich finde das total zum Kotzen. Zum Glück passiert mir das fast gar nicht mehr. Das liegt sicher zum Teil an meinem gesunden Lebenswandel. Aber gewiss auch daran, dass ich mir Lebensumstände ausgesucht habe, die mir sehr wenig Menschenkontakt bescheren: Keine Kollegen, keine Zugfahrten, keine Stadt oder Großstadt. Ich bin dem Zeug kaum noch ausgesetzt. Mein Risiko ist geringer. Deswegen erwischt es mich selten, deswegen kann ich anders durchs Leben gehen als ein Großstadtmensch im Großstadtbüro mit täglicher Straßenbahnfahrt. Ich bin sicher, dass du mir zustimmst, dass wir beide aufgrund der unterschiedlichen Lebensumstände auch unterschiedlich leben sollten. Schnell ist das Kind mit dem Badewasser ausgekippt und dann direkt in den Brunnen gefallen.
Und deswegen frage ich mich vor meinem oben dargelegten Hintergrund, wie Andy und seine Band dieses Risiko einschätzen. Hat man das Gefühl, bislang viel zu sorglos auch mit Grippe und Erkältung umgegangen zu sein? Oder ab welcher Größe ist das Risiko zu groß oder wieder klein genug? Oder habt ihr ebensoviel Sorge, auf dem Weg in einen Verkehrsunfall zu geraten (das ist zum Beispiel ein Gedanke, der mich bei jeder Fahrt beschäftigt).
Der Eifer, mit dem Menschen sich gerade Vorwürfe für irgendwelche Nichteinhaltung (oder siehe hier: Andersdenken) machen, befremdet mich vor diesem Hintergrund. Noch einmal: Das gilt völlig unabhängig davon, für wie sinnvoll oder nötig oder wirkungsvoll man diese Maßnahmen hält. Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist: Diese Maßnahmen entmündigen uns alle. So kann man argumentieren: "Ihr haltet euch nicht genug daran, ihr seid unvernünftig, also verordnen wir das jetzt - zu eurem eigenen Schutz." Das ist ein legitimes Argument. Ich stimme diesem Argument nicht zu, aber ich sehe natürlich in meinem bisherigen Arbeitsfeld anhand der Adipositas- und Diabetesraten, dass man irgendwann zu diesem Schuss kommen kann.
Dummerweise müsstest du mit dem gleichen Argument - Unmündigkeit - sofort jedem Bundesbürger das Wahlrecht entziehen. Siehe Wahlergebnisse. Aber da mache ich mir offenbar unnötig große Sorgen...